Martin Kargruber – Gebäude

Mit einem Text von
Dr. Thomas Elsen,
Kurator

Format 21 x 26 cm
8 Seiten

Erhältlich beim Herausgeber:

Kunstsammlungen und Museen Augsburg,
Neue Galerie im Höhmannhaus

hoehmanngalerie@augsburg.de
www.hoehmannhaus-augsburg.de

 

 

 

 

Martin Kargruber | Gebäude
Holzskulptur und Zeichnung
Thomas Elsen

Holz in seiner natürlichen Beschaffenheit ist das bevorzugte Material des Südtiroler Bildhauers Martin Kargruber. Das Außergewöhnliche seiner filigranen, oft miniaturhaft wirkenden Architektur-Skulpturen ist ihre Herausformung aus einem Stück, obwohl sie den Eindruck er­wecken, als seien sie aus Applikationen mehrerer Teile und kleinstteiligen Zusammenfügungen aufgebaut. Rauch, den der Wind wegbläst, tritt aus Schornsteinen, Regenwasser ergießt sich aus der Rinne am Dach eines Gebäudes. Werkzeuge lehnen an Hausfassaden, Brennholz stapelt sich in einer kunstvoll, scheinbar angebauten Beige, doch letztlich bildet sich alles aus einem einzigen skulpturalen Block. Diese verblüffende, virtuose Materialbehandlung stellt Kargrubers Skulpturen in einen nur für das aufmerksame Auge wahrnehmbaren, den Charakter seiner Arbeiten jedoch maßgeblich definierenden Kontrast zwischen scheinbarer Verspieltheit und bewusster Irritation.

Aber der Bildhauer löst solche Betrachter-Irritationen nicht nur durch virtuose Technik aus. Seine Häuser sind auch Metaphern. Sie stehen vereinzelt, einsam, auf hohen Sockeln wie auf Bergplateaus, auf stählernen Wandhalterungen wie auf schroffen Felsvorsprüngen, auf Rollen – massiv, und doch der Idee der Standhaftigkeit des Hauses widersprechend. Sie bergen persönliche Geschichte, Biografisches, sind plastische „Erinnerungsbilder“ (Lisa Trockner) und zugleich prototypische Bilderfindungen mit einem bei aller Lesbarkeit nicht geringen Anteil poetischer Abstraktion.

Es sind auch solche Brüche, die den Skulpturen jede Niedlichkeit nehmen, und ihnen bei aller Komprimiertheit ihrer Dimension etwas Monumentales verleihen. Idylle und Bedrohung stehen sich in Kargrubers plastischen Bildwerken stets dialektisch gegenüber. Schier übermächtig wirkende Sendemasten überragen ein verschwindend kleines Haus daneben, nicht weit entfernt von einem ‚kleinen Misthaufen‘ aus Lindenholz in ländlicher Umgebung tritt ein Atommeiler (‚Isar II‘) in den Blick. All das ist gewollt so einander zugeordnet. Die Präsentationsform der Ausstellung Martin Kargrubers ist keine repräsentative Ansammlung einzelner Plastiken im Raum, sie ergibt selbst ein Bild – in gewisser Weise den Blick des Künstlers auf die Welt. Als Betrachter bewegen wir uns wie durch eine begehbare Innenlandschaft en miniature durch sie hindurch.

Der Bleistift bleibt als Zeichnung auf den Oberflächen sichtbar und wird von Kargruber stets als Materialangabe mit aufgeführt. Das macht ihn nicht nur zu einem ästhetischen Effekt, sondern zum integralen Bestandteil der Skulptur, bei der Resultat und Prozess für den Künstler von gleichrangiger Bedeutung sind. Das wiederum lässt sich auch aus den Zeichnungen Kargrubers ablesen. Als Bildhauerzeichnungen sind sie Vorstudien, Momentaufnahmen, Zustandsbeschreibungen des Werdens, in jedem Fall Bestandteil eines künstlerischen Gesamtbildes, das unserer Wahrnehmung von Skulptur als etwas scheinbar Statischem noch etwas anderes zur Seite stellt: Eine Ahnung vom Wachsen, von der Geschichte der Dinge und ein Empfinden von Zeit.