Farbe - Gegenstand - Raum
Gründerzentrum Straubing 20. 11. 13 – 14. 04. 14

Einführung von Manfred Nürnberger, Akademischer Direktor,
Institut für Kunsterziehung der Universität Regensburg


Martin Karguber ist gebürtiger Südtiroler aus Gsies. Am nördlichen Rand der Dolomiten ist er in einem Bergtal aufgewachsen. Die ganze Familientradition ist mit der Holzbearbeitung verbunden, er aber hat die künstlerische Variante gewählt, in dem er eine Ausbildung zum Holzbildhauer absolviert hat.

1987 – 92 hat er dann ein Studium an der Akademie der bildenden Künste im München angeschlossen und bei Prof. Hans Ladner – einem Nordtiroler – sein Diplom gemacht. Seine erfolgreiche Tätigkeit als freischaffender Bildhauer und Restaurator mit etlichen Auftragsarbeiten im heimatlichen Raum (Brunnen, Bildnisse und Denkmäler) hat dann dazu geführt, dass er sein Wissen und seine Erfahrung an Jüngere weitergeben kann: Seit 2009 lehrt er an der Berufsfachschule und Meisterschule für das Holzbildhauerhandwerk in München.

Er hat mehrere Auszeichnungen, Stipendien und Preise erhalten, zuletzt die bayerische Atelierförderung für bildende Künstler.

Die Liste seiner Ausstellungsbeteiligungen in Galerien und Kunstvereinen ist lang. Genannt seien hier stellvertretend die von 2002 im Heidelberger Kunstverein mit internationalen Gästen und die Ausstellung Tempi moderni 2012 im Stadtmuseum Bruneck.

In Einzelausstellungen wurden seine Werke er 1995 in Laas bei Meran und in der Galerie Konstantin b. in Regensburg gewürdigt. Hier im Gründerzentrum ist das die erste Partner-Präsentation.

Wie arbeitet Martin Kargruber werktechnisch?

Er wählt ein heimisches Material, Linde oder Zirbelkiefer in rohen Blöcken oder Stammstücken und bearbeitet diese planvoll vom groben Formbestimmen mit verschiedenen Sägen bis hin zum filigranen Abtragen mit vielfältigsten Schnitzeisen, von denen die feinsten nur Millimeter große Kerbchen wegnehmen. Dem präzisen Beobachter lässt er die Strukturen der verschiedenen Schnitzspuren entdecken im Bekenntnis zur geschnittenen Oberfläche mit dem sicherlich extrem sorgfältig geschärften Eisen.

Das nachvollziehbar exzellente handwerkliche Vorgehen ist nur möglich, wenn gleichzeitig zum Skulpieren die Form- und Volumenvorstellung als dreidimensionale Imagination im Kopf vorhanden ist, die so zu sagen am Ende als Kern herausgeschält wie z.B. ein an die Hausecke gelehntes Bäumchen übrig bleibt. Das erfordert äußerste Konzentration und Sensibilität im Hinblick auf das Material und dessen Reaktionen. Bei einigen Werken ist der Ausgangs-Rohling mit Maserung und Ast-Ornamenten spannungsvoll mit einbezogen oder der entrindete Stamm ist noch an einer Stelle erkennbar und stellt die naturbelassene Oberfläche den vom Werkzeug geprägten Arbeitspuren, der Handschrift des Schnitzers, gegenüber. Die Lebendigkeit im Detail gerinnt dabei im Endeffekt zur eher schlichten Gesamterscheinung der Objekte- wie er es auch selbst formuliert- und lassen das abstrahierende Vorgehen erahnen.

Vom Handwerklichen zum Künstlerischen

Wenn ich Sie auffordern würde, ganz schnell ein Haus zu zeichnen, dann würden Sie vermutlich auf das Schema aus der Kindheit zurückgreifen: Recheck mit Dreiecksdach darüber. Wenn ich Sie dagegen fragen würde, wie Sie Ihre Traumvilla planen würden, tauchten vielleicht andere Formvorstellungen wie toskanische Architektur-Lösungen mit Loggia oder moderne Fronten mit viel Glas und Wintergarten auf. Wir haben also unterschiedliche Bilder von Häusern immer im Kopf, die wir nach Bedarf "downloaden" können.

Martin Kargruber bezieht sich auch auf Imaginationen von Gebäuden, die er aber aus seiner Erinnerung oder besser gespeicherten Erfahrung abruft. In Zeichnungen werden die Bauwerke seiner heimatlichen Gebirgswelt samt Einbindung in den weiten Raum der Landschaft parallel zum bildhauerischen Vorhaben sichtbar gemacht- also nicht vor Ort abgezeichnet. Die zentralperspektivischen Eindrücke werden- wohl gemerkt aus der Erinnerung - dabei präzise getroffen. Sie zeigen uns das Typische der Wohnhäuser und Schuppen in ihrer Gliederung der Baukörper und mit ihren Jahrhunderte lang bewährten Proportionen. Wir spüren die oft mächtig kubische Basis und sehen im Obergeschoss die von kleinen Fenstern unterbrochenen Mauer- fronten, manchmal von einem sparsamen Laubengang begeleitet unter den auffallend flachen Dachwinkeln. Manchmal lässt Martin Kargruber Teilbereiche weg um Besonderheiten wie Dachrinnen, Holzlegen oder Brunnentröge detailliert wiederzugeben. Das heißt, der Zeichner interpretiert das Gesehene und Erinnerte, er lässt bewusst weg, reduziert und vereinfacht bisweilen im Stil einer naiven Auffassung, selektiert und betont gekonnt Einzelheiten, die ihm wert sind sie zu zitieren. Aus diesem Fundus von visualisierten atmosphärischen Momenten verdichten sich die Ideen für die dreidimensionalen Werke.

Ein zweites Motiv wird darin eigenwillig aufgehoben: Der Mensch. Nicht augenscheinlich exponiert, aber an entscheidender kompositioneller Pointe ist er gesetzt und baut so einen inhaltlichen Wechselbezug auf. Das ist besonders an den Skulpturen ablesbar, die zum Herumgehen einladen oder den auf Stahlscheiben montierten, die man vorsichtig drehen darf. Fast unerwartet tritt die Figur dann wie auf einer Bühne auf. Sie scheint einerseits zu ihrem Haus zu gehören, andererseits wirkt sie auch einsam und ausgeliefert , bisweilen untätig, wartend oder nur beiläufig agierend.

In diesem Zusammenhang sind sicher auch die Wahl der Formate bzw. Größenverhältnisse anzusprechen: Für den Betrachter wirken sie wie von ihrem ursprünglichen Lebensraum isolierte kostbare Miniaturen, die aber so erst gebührende Beachtung erlangen. Gleichwohl ist es die Erfahrung großer räumlicher Distanz, die uns Bauwerke wie Menschen in dieser optischen Verkleinerung erscheinen lassen. Bei mir verbindet sich diese Wahrnehmung immer mit Berglandsituationen, wenn man aus großer Entfernung oder schräg von oben auf verstreute Einzelhöfe blicken kann.

Martin Kargruber fertigt keine realistischen Hausmodelle wie Architekten oder schnitzt keine Miniatur-Modelle als Zitate der Wirklichkeit. Seine Objekte manifestieren sein Bewusstsein von regionaltypischer menschlicher Behausung, wie diese in seiner Erinnerung und seinem gespeichertem Erlebnis aufgehoben sind – in doppeltem Sinne: von aufbewahrt und auf eine andere Ebene gehoben.

Wenn wir die Bereitschaft zu Kontemplation aufbringen, löst seine Sicht auf selbst Erfahrenes in uns Betrachtern eine Nachdenklichkeit oder kritische Haltung aus, die unsere ästhetische Wahrnehmung erweitern und unsere Erlebnisfähigkeit anzuregen vermag. Das gelingt in der Regel nur ernsthafter und bedeutender Kunst -weit ab von Effekthascherei in dieser Branche. Nach meinem Ermessen ist uns diese hier geboten und ich wünsche ihnen dazu eine spannende Auseinandersetzung.

 

Manfred Nürnberger, Akademischer Direktor, Institut für Kunsterziehung der Universität Regensburg